Transformer-Revolution: "Attention Is All You Need"
Der Paradigmenwechsel (2017)
Am 12. Juni 2017 veränderten elf Seiten die Welt. Ein Team von Google-Forschern veröffentlichte ein Paper mit dem bescheidenen Titel "Attention Is All You Need", ohne zu ahnen, dass sie damit die Blaupause für die heutige KI-Revolution lieferten. Die Transformer-Architektur löste ein fundamentales Problem, das die Sprachverarbeitung jahrzehntelang geplagt hatte: Wie kann eine Maschine lange Sequenzen verstehen und dabei Beziehungen zwischen weit entfernten Elementen erfassen?
Das chronische RNN-Problem
Vor 2017 dominierten Recurrent Neural Networks (RNNs) die Sprachverarbeitung, doch sie hatten einen kritischen Schwachpunkt: sequenzielle Verarbeitung. Sie mussten Wort für Wort, von links nach rechts arbeiten, was wie Lesen mit einer Taschenlampe war – man sieht nur einen winzigen Bereich und muss sich mühsam an alles Vorherige erinnern. Bei längeren Texten "vergajen" RNNs regelmäßig wichtige Informationen vom Textanfang.
Die Attention-Revolution
Transformer lösten das Problem elegant: Statt sequenziell zu lesen, betrachten sie alle Wörter gleichzeitig und berechnen Relevanz-Gewichte zwischen ihnen. Der Self-Attention Mechanismus funktioniert wie der berühmte Cocktailparty-Effekt: Unser Gehirn konzentriert sich automatisch auf wichtige Gespräche und blendet Hintergrundgeräusche aus.
Dieser Ansatz ermöglichte vier entscheidende Vorteile: Parallelisierung erlaubte GPUs, alle Berechnungen gleichzeitig durchzuführen. Skalierbarkeit bedeutete, dass mehr Parameter tatsächlich bessere Performance brachten. Generalität sorgte dafür, dass die Architektur für Text, Bilder, Audio und Code funktionierte. Und Transferfähigkeit ermöglichte es, einmal trainierte Modelle für viele verschiedene Aufgaben zu verwenden.
Die GPT-Evolution: Skalierung als Strategie
Die revolutionäre Erkenntnis war verblüffend einfach: Ein einziges, großes Transformer-Modell kann fast alles lernen, wenn man es mit genug Daten füttert. OpenAI bewies diese These mit dramatischer Konsequenz und schuf eine beispiellose Entwicklungsserie.
GPT-1 (2018) war mit 117 Millionen Parametern der Beweis des Konzepts. GPT-2 (2019) sprang auf 1,5 Milliarden Parameter und war angeblich "zu gefährlich für die Veröffentlichung" – eine Marketingentscheidung, die sich als genial erweisen sollte. GPT-3 (2020) erreichte 175 Milliarden Parameter und demonstrierte Few-Shot Learning: Das Modell konnte neue Aufgaben mit nur wenigen Beispielen lösen. GPT-4 (2023) sprüngte auf geschätzte 1,8 Billionen Parameter und brachte multimodale Intelligenz. Schließlich führte o1 (2024) Chain-of-Thought Reasoning ein – die Fähigkeit zu denken, nicht nur zu antworten.
Die Scaling Laws von Kaplan et al. (2020) untermauerten diese Strategie wissenschaftlich: KI-Performance folgt mathematischen Gesetzmäßigkeiten. Verdoppelt man die Rechenleistung, steigt die Performance vorhersagbar. "Attention Is All You Need" hatte die Blaupause für diese beispiellose technologische Revolution geliefert.